Juli 7, 2016
Griechenland – ich denke an türkisblaues Wasser, weiß getünchte Häuser und all die Philosophen jener Zeit. Als Erstes kommt mir Sokrates in den Sinn. Mein Herz voller Kultursucht, dabei auf der Suche nach der antiken Brücke zwischen Sokrates’ Philosophie und Yoga, reise ich nach Griechenland. Die Hitze steht in Athen, genau wie die letzten Säulen der Tempelanlagen. Damals, im 5. Jhd. v. Chr., galt Athen als der kulturelle Standort des Landes, hier hat die Demokratie ihre Anfänge erlebt und die Stadt gilt als Wiege der Weisheit.
In der Stadt fand sich eine Mischung aus Philosophen, Gelehrten, Schriftstellern, Mathematikern, Künstlern, Bildhauern, Kulturellen und Streitmächten – unter ihnen der bekannteste Philosoph dieser Zeit, Sokrates.
Was hat Griechenland mit Yoga am Hut?
Eine Ode an die Philosophie. Ich sitze in Athen auf dem Areopag und werfe das erste Seil für die Brücke zum Thema Yoga. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, sagte einst Sokrates und mich erinnert dieser Satz total an Zen – das Nichts, das reine Sein im Jetzt. Zen und Sokrates sind eine schöne Kombination. Es ist wie mit dem himmlischen Eis, das Du gerade in einer Eistüte in Deiner Hand hältst und das bei 50 °C binnen Sekunden ins Nichts zerfließt. „Ich weiß, dass ich kein Eis mehr habe“, könnte ich jetzt sagen.
Wie ich Griechenland einschätze, ist das Land wie seine Bewohner: freundlich, warm, hilfsbereit. Doch zunächst benötige ich einen gewissen Orientierungsüberblick der antiken Sachlage.
Den Blick weite ich vom Areopag zur Akropolis aus. Wenn ich sage, dass dieses Bild imposant aussieht, hat mir der Satz noch zu wenig Ausdrucksstärke.
Diese antiken Überreste wecken noch so tiefe Ehrfurcht vor der Historie in mir, das ist schon grandios! Ich überschaue ganz Athen, diese heilige Stätte der Demokratie. An dem Platz, an dem ich sitze, fanden die ersten Versammlungen von Menschen für das gemeine Volk statt. Ich bin überwältigt von dem Anblick und der glühend heißen Sonne.
Anschließend wechsle ich die Fronten und betrachte den Berg von der Akropolis aus einer anderen Perspektive. Dort war also die Volksversammlung, die zudem auch einen wesentlichen Einfluss auf die Staatsgeschäfte in der Antike nahm. Nicht nur das, hier war die eigentliche Wiege der Demokratie.
Wenn ich mich weiter umschaue, erblicke ich neben dem Areopag die antike Agora, die das Zentrum der athenischen Demokratie war. An diesem Ort wurden ihre politischen Funktionen ausgeübt und dort ging wohl auch Sokrates spazieren, wenn er mal nicht am Markt philosophierte oder seine Dialoge abhielt. Sokrates, ein zäher Geist, der sich ständig auf dem Markt tummelt, um den Menschen etwas zu denken zu geben und sie zu moralisieren.
Das imponiert mir sehr, denn die Ruinen der antiken Agora sind teilweise außerordentlich gut erhalten und beherbergen unter anderem den Hephaistos-Tempel und weitere imposante, noch erhalten gebliebene Bauten. Ich bin ganz hin und weg von all den wunderschönen antiken, kulturellen und historischen Jetzt-Momenten. Sokrates hat es mir wirklich angetan.
Der coolste antike Yogi – Sokrates
Sokrates lebte von 469 bis 399 v. Chr. in Athen und war einer der bedeutendsten Philosophen seiner Zeit und weit darüber hinaus. Ich denke, die Stufen der Erkenntnis fangen bei Sokrates an. Auch Yoga wurde von ihm gezeichnet, da auch genau in jener Zeit die Bhagavad Gita auflebte. Wie es der Zufall wollte, hatte auch Sokrates eine große Affinität für Tugend, Moral, Ethik und die gewisse Achtsamkeit, in seinem Fall die Achtsamkeit für das rechte Sprechen und Handeln, ein stimmiges Miteinander und dafür, das sinnfreie von dem Wertvollen zu unterscheiden.
Ich sitze wieder auf dem Areopag, diesmal ohne Eis, und blicke über Athen, die atemberaubende Akropolis und all die Tempelsäulen. Ich denke an Sokrates. Er war ein authentischer Mensch mit wahrer Zähheit, robust nicht nur im Körper, sondern auch auf mentaler Ebene. Für seine Aussagen und sein Anecken brauchte er eine gewisse mentale Reife und vor allem eine immense innere Stärke. Zudem waren sicher auch jede Menge Mut und ein festes Rückgrat notwendig, um seinen Weg zu gehen.
Sokrates und seine pausenlose Eigenart, alles zu hinterfragen, vor allem auf seine typische Weise, war keine gewöhnliche Methode. Es ist aus meiner Sicht typisch „sokratisch“, wenn bestimmte Fragen Dich im Mark berühren und in Deinem Inneren bohren.
Sokrates machte Andere denkend. Er hat alles bis ins Kleinste zerkleinert, hat gefragt, woher die Dinge kommen, auf welcher Grundlage sie basieren und wofür sie geschaffen sind. Eine Antwort, die lediglich sinnfrei herauspolterte, wurde von ihm erneut für seinen Zuhörer hinterfragt und aus dessen Selbst die Antwort geboren.
Er hinterfragte, zeigte auf und hatte zudem keine Furcht, denn wenn etwas nicht gut war, stand er dazu und zeigte es auf, kostete es, was es wollte. Er lebte seine Moral und sein rechtschaffenes Herz voll und ganz, mit all ihren kosmischen Parametern, die sie im Inneren bereithielten, und blieb sich selbst immer treu. Das sind für mich nicht nur die wahren Helden der Antike, das ist antike Authentizität.
Yoga-Philosophie trifft auf antike Authentizität
Sokrates – was ihn zusätzlich auszeichnete, war auch seine Widerstandsfähigkeit, die absolute Resilienz, all die Ereignisse in den Phasen seines Lebens in Athen mit einer enormen Gelassenheit zu erleben, denn es herrschten keine günstigen Jubelzeiten zu seiner Zeit. Ich muss schmunzeln, so ein zäher Geist! Noch dazu war er unbestechlich und nahm sein Schicksal an – bis in den Tod. Selbst im nahenden Moment des Todes sprach er noch, dass er nicht wisse, ob seine Seele nach dem Tod weiterleben wird.
Sokrates, ein Mensch mit einem brillanten Geist. Er befasste sich mit den praktischen Problemen des Lebens, suchte nach rationaler Ethik und Moral, es galt, alles als richtig oder falsch einzuordnen. Den Menschen als das Maß aller Dinge lehnte er ab, somit kann man ihn nicht zu den Sophisten zählen. Stattdessen setzte er auf Wissen und die höchste Tugend. Er wollte das Leben anwendbar machen, dazu gehörte auch Güte, eine gute Portion Selbstkontrolle, denn die authentische Wahrheit will immer gesprochen werden – mit tiefer Weisheit im Gepäck. Dann dient es allen und allem zum Wohle.
Viveka ist die Kunst, Echtes und Unechtes voneinander zu unterscheiden. Sokrates wusste viel über Viveka. Er wusste, was gut oder schlecht war. Bei Viveka geht es um Erfahrung und Entwicklung der Seele. Das war es auch, was Sokrates pausenlos beschäftigte, wenn er Dinge aufzeigte und sie hinterfragte. Er wollte, dass die Menschen sich selbst erkennen. Sein Ziel war es, die Dinge für die einzelne Seele erfahrbar zu machen, egal ob für Jung oder Alt, um sie zu überzeugen und es nicht unversucht zu lassen, in die Entwicklung der Seele zu investieren. Tugenden und Moral kann man nicht kaufen!
Das Streben der Seele nach Befreiung heißt im Yoga „Moksha“ und muss ein tiefes Urteilsvermögen besitzen, das von der Praxis bis in die gesamten Lebensbereiche reicht und ebenso alle Geschehnisse der Umwelt einbezieht. Daraus entsteht ein Verzicht auf viele unwichtige Dinge. Scheinheilige Treffen oder sinnfreie Zeitfresser werden durch Praxis und Selbstkontrolle ersetzt. Das Gute hat immer ein universales Prinzip und ist kein reines Privatvergnügen. Der Verstand kann jedoch kein authentisches Wissen von der Wirklichkeit geben, dazu ist nur das Herz imstande. Sokratisches Denken geht ins Herz. Auf der Herzebene finden wir die sokratische Essenz. Hier sieben wir mithilfe einer höheren Weisheit alles Wichtige vom Unwichtigen.
Die drei wichtigsten Siebe des Sokrates
Ein junger Mann rannte auf Sokrates zu und rief: „Sokrates, ich muss Euch etwas berichten. Wisst Ihr, was ich gerade über einen Eurer Schüler gehört habe?“ Sokrates unterbrach den stürmischen Jüngling. „Stopp deine Rede!“, sagte er und fragte weiter „hast du das, was du mir erzählen willst, bereits durch die drei Siebe des Weisen gesiebt?“ Der Junge schaute verblüfft und schüttelte den Kopf. „Was meint Ihr, Sokrates? Von welchen drei Sieben sprecht Ihr?“
Sokrates antwortete: „Das erste Sieb ist das der Wahrheit, das zweite Sieb das der Güte und das dritte Sieb ist das der Erfordernis. Das Sieb der Wahrheit fragt dich: Ist das, was du mir berichten willst, wahr?“
Der Junge sprach: „Nun ja, es wurde mir berichtet, aber sicher bin ich mir nicht. Sokrates fuhr fort. „Dann lass es uns mithilfe des zweiten Siebes prüfen. Ist das, was du zu erzählen hast, von Güte?“ „Nein, eher im Gegenteil“, antwortete der Junge.
Der weise Sokrates schmunzelte. „Erfüllt deine Geschichte wenigstens die Bedingung des dritten Siebes – ist deine Rede notwendig? Muss ich sie unbedingt hören?“ Der Junge sagte: „Nein, Ihr müsst sie nicht wirklich wissen.“
„Wenn deine Geschichte weder wahr noch von Güte ist und auch jeder Notwendigkeit entbehrt, schweige lieber.“ Der junge Mann schwieg und lief davon. Er hatte verstanden.
Erholsame Yoga-Pausen mit authentischem Yoga in Athen
Siebe einmal in Deinem Alltag alles, was Du berichten möchtest, durch die drei Siebe der Weisheit oder bewege Andere dazu, vorher darüber nachzudenken, ob sie Dir etwas Sinnvolles oder -freies mitteilen wollen. Ist das, was Du mitteilen magst, gut? Ist es nützlich? Ist es wahr? Wenn nicht, behalte es für Dich und schweige lieber.
Was ich zum Schluss noch erwähnen möchte, ist das Yoga-Studio „Evergreen“, da es gut, wahr und auch nützlich ist. Yoga-Philosophie auf Griechisch – ich verstehe zwar akustisch nichts, aber mit meinem Herzen verstehe ich jede Sprache. Die zweistündige Yoga-Einheit bot mir allerhand Gelegenheit, noch mehr zu schwitzen. Mir war so warm, ich lenkte all meine Aufmerksamkeit auf die Klimaanlage und fragte mich, warum ich weiß, dass ich gleich gar nichts mehr weiß, denn mir war zu heiß. Ich fragte mich, ob ich die Einzige war, die den intensiven Wunsch hatte, dieses Gerät zu beleben.
Für die Griechen schien das Ganze völlig normal zu sein, ich hingegen transpirierte aus jeder Pore. Sich nach so viel Kultur und Fußmärschen einfach nur auf der Matte im Rausch der Atmung einzutunen, ein wahrer Genuss! Das Schnurren der Klimaanlage hätte ich auch gut gefunden, aber Atmung und Yoga wirken auch ohne sie auf mich ein.
Auf der Yoga-Matte in allen Asanas auf Griechisch zu verweilen und die Füße hin und wieder hochzuwerfen, um sich einfach mal umzukehren, das hilft schon gut dabei, sich abzukühlen und den gewissen Perspektivwechsel zur nicht laufenden Klimaanlage zu schaffen. Ahhhshavasana – Athen – Asanastisch: War das erholsam und dabei doch sehr fordernd! Das Evergreen-Yoga-Studio ist ein empfehlenswerter Yoga-Ort in Athen.
Auf antiken Pfaden – ein Dialog mit Sokrates
Zufrieden verabschiede ich mich. Zen und Sokrates sind wie Menschen und Götter. Am heiligen Felsen neben oder auf der Akropolis darf sich jeder durch sokratisches Denken direkt ins Herz führen lassen. Ein universelles Gut gibt es nicht, es gibt ein Wissen und ein Erlangen von tiefgreifendem facettenreichen Wissen. Wer wissend gegen kosmische Regeln verstößt, die schönen ungeschriebenen Gesetze der Tugend nicht anwendet, sie stattdessen ausnutzt und missachtet, ist demzufolge nicht gut.
Sokrates, da sagst du was – ich stimme dir voll zu! Das innere Gesetz der Tugend wird heutzutage von vielen Wissenden nonstop gebrochen. Am liebsten würde ich dreimal die Woche mit Sokrates speisen und alles zerlegen, was noch nicht zerlegt wurde. Dafür wäre mir sein Geist sehr willkommen, denn ich mag intensive Geistigkeit und ebenso eine komplexe und tiefe Fragestellung.
Für beide, die Vedanta wie auch Sokrates, ist Wissen das höchste Gut. Aber Achtung: Wissen wird oft ausgenutzt und missbraucht. Direkt, indirekt, bewusst und unbewusst – es passiert ganz schnell.
Solch eine Schale, angefüllt mit Wissen, hat eine sehr dunkle Kehrseite. Sie kann den Menschen, der nie an seinen Tugenden, an seiner Ethik und Moral arbeitet, in etwas Übles verwandeln. Geld macht aus Menschen ebenfalls gierige Wesen. Dabei ist alles so einfach. Wahrheit und Aufrichtigkeit sollten stets an erster Stelle stehen.
Und doch sagen so viele Menschen täglich die Unwahrheit, kuschen oder lügen sich alles zurecht, zum Beispiel im Namen der Firma, vor versammelter Mannschaft im Meeting, in Partnerschaften, vielleicht ihr ganzes Leben lang. Sokrates hat dazu einen wunderbaren Satz ins Leben gerufen: „Wissen bedeutet Tugend.“
Warum tun Menschen etwas Falsches, obwohl sie wissen, dass es falsch ist? Das ist keine Authentizität. Auf diese Weise kommt man sich selbst nicht näher, das ist ein Entfernen der Seele bis hin zum Wählen des falschen Lebensweges.
Und dann gibt es Seltenheiten wie Sokrates, der weder käuflich noch bestechlich war, weil er keine Gier kannte. Er war präsent und wusste, was richtig und falsch, gut und was schlecht ist. Was dunkel und was hell ist. Tugend dient auch dem inneren Interesse für die eigenen Freuden, der Ehre, Aufrichtigkeit und Treue sich selbst gegenüber.